Dienstag, 18. Juni 2013

Rasant bergab, quälend langsam bergauf - Rheinwoche 2013 mit der Streamline

Nachdem die Streamline bereits zwei Wochen vor uns nach Leverkusen gereist war, machten wir uns mit angenehmem Reisetempo, aber wolkenbruchartigem Dauerregen ab Braunschweig am Freitag vor Pfingsten auf den Weg hinterher. Dank Navi konnten wir die erste Reiseetappe erfolgreich abschließen: Matratzenlager im Wohnzimmer von Sven und Lotte bei gefühlten 20 Grad weniger als in Berlin.
Am Samstagmorgen erwartete uns ein feudales Frühstück, in dessen Rahmen uns sogar Riegelverpflegung von der "feindlichen Crew" angeboten wurde. Der gemütliche Start in den Morgen kam uns teuer zu stehen, denn als wir am Startpunkt in Leverkusen-Hitdorf ankamen, hatten wir 60 Minuten Zeit, um parallel das Boot aufzubauen, das Begleitschiff "Eureka IV" zu beladen, der Steuermannsbesprechung zu lauschen und bei all dem die 15-minütige Laufdistanz zwischen Auto, Eureka und Streamline zu bewältigen.
Schweißgebadet schafften wir es mit Ach und Krach uns kurz vor dem Start aus dem Nebenarm des Rheins hervor zu wagen, an Segelversuche bei Strömung war nicht zu denken. Daher meisterten wir den Start mehr schlecht als recht und versuchten auf den folgenden 40 Rheinkilometern bis Düsseldorf eine Strategie zu finden, schnellstmöglich durch die Kurven zu kommen. Jede kleine neue Erkenntnis erwies sich schon in der nächsten Kurve als falsch - mal waren wir zu weit innen, mal zu weit außen, mal sowieso auf der falschen Seite, mal im Windloch... Bei abnehmendem Wind konnten sich jene Schiffe behaupten, die sich auf der (wie wir später erfuhren) zum Teil nur 30 m breiten Ideallinie mit der stärksten Strömung den Rhein hinab schlängelten. Der wenige Wind und die starke Strömung machten unsere Erfahrung mit den Winden im Kräfteparallelogramm und dem Kreuzverhalten der Streamline zunichte.
Kurz vor dem Mittagsstopp in Düsseldorf schlief der Wind zeitweise komplett ein, so dass uns nur noch die Strömung vorantrieb. Dies führte in gewisser Weise zu vorübergehender Manövrierunfähigkeit, die uns fast zu einer Kollision mit einem rheintypischen Steiger (Landungssteg) brachte. Dank gezielter und kräftiger Fußtritte schlitterten wir ohne Berührung daran vorbei und retteten uns in Ziel.
In Etappen (durch den unterschiedlichen Yardstickfaktor differierten die Zieleingangszeiten enorm) wurden alle Teilnehmer der Rheinwoche in der Schrott-Ablade-Ecke des Düsseldorfer Yachtclubs mit Suppe aus der Gulaschkanone verköstigt.
Nach einer dreistündigen Pause (zumindest für uns als eines der Schiffe mit der kleinsten Yardstickzahl) ging es im Schleppverband nach Krefeld weiter, da der Wind über Mittag komplett verschwunden war. Im Konvoi passierten wir die älteste Drehbrücke Deutschlands, bevor wir die mitten im ausgelagerten Industriegebiet angesiedelte Krefelder Segler-Vereinigung 33 erreichten. Mit wilden Päckchenkonstruktionen fanden alle 120 Teilnehmer ein Plätzchen - nur die vier Vereinsduschen hielten dem Ansturm nicht stand und kapitulierten nach der zehnten Crew mit eiskaltem Wasser.



Während Malte noch das Auto mitsamt Hänger von Leverkusen nach Krefeld holte, vergnügten wir (Thilo und Katha) uns mit Krustenbraten und Salaten bei der Tagessiegerehrung. Zu dritt brauchten wir die erworbenen Biermarken auf, versuchten von Einheimischen die besten Rhein-Tipps abzugreifen und amüsierten uns mit Band-Untermalung in der Bootshalle.
Zwischen 60 anderen Vergnügungssüchtigen rollten wir auf dem Oberdeck der Eureka IV unsere Isomatten und Schlafsäcke aus. Die gegenseitige Rücksichtnahme war enorm, so dass wir am nächsten Morgen relativ ausgeruht das Frühstücksbuffet plünderten.
Gestärkt mit den neuen Rhein-Erkenntnissen passierten wir wieder im Pulk die Drehbrücke und bereiteten uns seelisch und taktisch auf den Start vor. Die Strömung war schnell, wir waren schneller und konnten uns gerade so noch vor einem frühzeitigen Übertreiben der Startlinie retten. Bei besten Segelbedingungen (blauer Himmel, strahlende Sonne, 3 - 4 Bft) fraßen wir mit Wendewinkeln von 45° einen Rheinkilometer nach dem nächsten. Auf den 50 zu absolvierenden Kilometern passierten wir einen Frachter nach dem nächsten - riesige Schubverbände mit vier bis sechs Leichtern, Containerschiffe, Flüssigkeitstanker, dreistöckige RoRo-Schiffe... Vorbei an Europas größtem Binnenhafen folgte eine Wende der nächsten. Unser Respekt vor den Frachtern nahm kontinuierlich ab, so dass wir uns im Laufe des Vormittags ein ums andere Mal zwischen drei Riesen gleichzeitig hindurch schlängelten. Diesmal gelang es uns, die Esse 850 nicht davon segeln zu lassen - eine Minute nach ihr passierten wir die aus zwei zu peilenden Flaggen bestehende Ziellinie in Wesel.
Nach dem Mittagessen mit für uns wieder ausgedehnter Pause folgte die zweite Tagesetappe über 25 km nach Rees. Ein wunderbarer Start, gute Manöver und ein erstes winziges Stück unter Spi brachten uns bei weiterhin traumhaften Segelbedingungen den ersten Etappensieg ein. An der Promenade von Rees wurden wir mit Jubel, Feuerlöschparade und unzähligen Zuschauern gefeiert. Wir genossen das Spektakel im Strom stehend und traten danach die letzten 4 Kilometer zum Segelclub Grafenwald an. Gegenüber erblickten wir das zum Vergnügungspark umgebaute AKW Kalkar, das bei uns Erstaunen und Entsetzen zugleich auslöste.
Als eines der ersten Schiffe konnten wir zuschauen, wie sich riesige Päckchen bildeten und die Schlangen hinter uns an den einzigen beiden Duschen gigantische Ausmaße annahmen.
Malte trat wieder seine kleine NRW-Tour an und holte das Auto nach Rees, während der Trailer schon mal in Emmerich unterm Kran abgestellt wurde. Nach einem netten Abend im Festzelt mit drallen Tanzgruppen wurde die Nacht mit einem Feuerwerk eingeläutet.
Zwischen unseren 60 Zimmergenossen verbrachten wir wieder eine ruhige Nacht und konnten uns halbwegs ausgeschlafen der letzten Etappe widmen. Uns erwarteten wieder nette 3 - 4 Bft., nur das Wetter ließ mit grauem Himmel und Nieselregen zu wünschen übrig. Die 10 Rheinkilometer nach Rees absolvierten wir auf einer halben Pobacke: guter Start, gut gesegelt, Erster im Ziel und damit auch in Krannähe, der allerdings noch gar nicht aufgebaut war.
120 Boote wollten geslippt, aber vor allem gekrant werden - das ließ lange Wartezeiten vermuten! Sobald der für Großbaustellen ausgelegte Industriekran ausgefahren war, griff er quasi im Sekundentakt die streichholzschachtelgroß wirkenden Boote aus den Päckchen und setzte sie aus 20 m Höhe zentimetergenau auf den bereitgestellten Hängern ab.


Nach zwei Stunden war das Becken geleert, so dass die Siegerehrung beginnen konnte. Die Ergebnisse der beiden teilnehmenden Streamlines können sich sehen lassen: Das Blaue Band für das zeitschnellste gesegelte Boot auf der Gesamtstrecke ging an Tim, Sven, Lieselotte und Maja auf der Svelo, der zweite Platz an uns! In der Startgruppe "Yardstick kleiner als 110" belegten wir nach berechneter Zeit den dritten Platz, während die Svelo fünfter wurde.
Die Heimreise am nächsten Tag gestaltete sich schwieriger als geplant: Laute schabende Geräusche an den Hängerrädern veranlassten uns, in Essen einen Hängerspezialisten aufzusuchen. Bei Abbauen der alten Radkappen fielen den Mechanikern die Radlager in Einzelteilen entgegen - nach Berlin hätten wir es damit nicht geschafft! Nach zweistündiger Unterbrechung ging es ohne weitere Komplikationen die für Segler eher ungewöhnliche Strecke aus dem Ruhrgebiet zurück nach Berlin.
Zurückblickend bleibt festzuhalten: Eine tolle Erfahrung, die man mit einem so schnellen Schiff wie der Streamline gerne wiederholen kann!

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