Rerik
Mit etwas Verspätung kann die Saison im Mai endlich starten. Und wo könnte man Social Distancing besser praktizieren als in Mecklenburg-Vorpommern? Also Matratze rein ins Auto, raus aus der Großstadt und ab nach Rerik zum Salzhaff. Die 14s sind nach der Absage von fast allen Regatten heiß auf Segeln und so kommt eine kleine Flotte für ein improvisiertes Trainingslager unter strengen Auflagen zusammen.
Nachdem wir im letzten Herbst noch auf Floras Bieker 4
trainiert hatten, soll nach einer gründlichen Überholung endlich mein problemgeplagter
Bieker 6 zum Einsatz kommen. Über 10 Jahre technischer Fortschritt liegen
zwischen den Designs und die ersten Testschläge verlaufen zunächst etwas
wackelig.
Mast und Schwert sind deutlich nach hinten gewandert, die
Racks kürzer, das Ruder kleiner und das Foil viel effektiver. Dazu kommt ein
viel steiferer Mast, der in Böen kaum noch arbeitet und ein sehr tiefes steifes
Membran Segel, dass nicht mehr selbständig umschlägt. Das alles erlaubt nahezu
keine Krängung mehr, keine größeren Ruderausschläge, kein Fehltritt in den
Manövern und erfordert viel Steuern mit dem Großsegel. So lässt sich das Boot bei
viel Wind beispielsweise nicht wenden, wenn das Großsegel nicht aktiv
mitgefahren und genau im richtigen Moment umgeschlagen wird.
Abhilfe schafft, jedes Manöver bis ins letzte Detail zu
standardisieren. Über den Sommer beschreiben wir in einem Playbook genau, wer
sich bei welchem Wind wie bewegt und wie das Boot dabei zu krängen ist. Dann
zwingen wir uns, die Abläufe genau einzuhalten und immer nur Details
anzupassen. Nachdem wir dann den optimalen Ablauf gefunden haben, trainieren
wir so lange, bis die Bewegungen natürlich werden und wir nicht mehr darüber
nachdenken müssen.
Zurück in Rerik sind wir gerade mit dem Boot
warmgeworden als nach einem unheilvollen Knacken plötzlich die Riggspannung weg
ist. Ein Pütting ist komplett vom Rumpf abgerissen und der Mast hängt nur noch
an einem kleinen Bändsel. Nach etwas Frust darüber, dass die Pannenserie
einfach nicht abreißt, finden wir schnell eine bessere Lösung und nach einem
Abend Basteln steht der Mast am nächsten Tag wieder.
Doch das Pech ist weiterhin mit uns. Bei traumhaftem Wetter und
bester Sicht werden wir auf dem leeren Salzhaff von einer ganz klar
ausweichpflichtigen Hallberg-Rassy unter Autopiloten und ohne Ausguck
umgefahren. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt aber am Boot ist vom
Gennakerbaum vorne bis zum T-Foil hinten fast nichts heil geblieben. Also kommt
mein Boot zu Eike in die 14 Klinik und wir machen mal wieder auf Floras Bieker
4 weiter.
Möwenstein
Nach einem weiteren Trainingslager in Rerik ist mein Boot
dann Ende Juli wieder fit für eine große Trainingswoche auf der Flensburger Förde.
Beim SSFH finden wir traumhafte Skiff-Bedingungen vor und können fast jeden Tag
zwei Einheiten absolvieren. Zwischendurch überholen wir noch die komplette
Rigg-Verstellung und nach vielen Spleiß-Abenden steht das Boot besser da als
vor dem Unfall. So langsam können wir das Potential des neuen Bootes auch
abrufen und die erste Regatta kaum erwarten.
Von Flensburg geht es direkt zur Sommerregatta nach
Möwenstein, 19 Teams gehen hier an den Start. Nachdem der Wind am Freitagabend
nicht mehr ganz so stark weht, wagen wir uns noch für einen Testschlag auf die
Lübecker Bucht. Die große Welle ist komplett neu für uns aber wir meistern eine
Session ohne Kenterung. Im ersten Rennen der Saison am Samstag geht der Wind
dann auf unter 10kn, die Welle aber bleibt. Wir fahren uns immer wieder fest
und bleiben mit Platz 12 weit hinter unseren Erwartungen zurück. Da die F18
Katamarane auf derselben Bahn gar nicht mehr vom Fleck kommen, geht es erst am
Abend nach einer Startverschiebung noch mal aufs Wasser. Zum Glück, denn so
können wir mit einem 6. Platz den Tag noch versöhnlich abschließen.
Der Sonntag liefert bessere Bedingungen und wir können mit
6-5-3 noch mal nachlegen. Platz 6 insgesamt und die Erkenntnis, dass wir vorne
mithalten können, sind der Lohn.
Warnemünde
Die Motivation ist hoch uns so geht’s nur zwei Wochen später
wieder nach Rerik zum Training und direkt im Anschluss zum Warnemünde Cup. Fast
40 Xylon und 29er machen schon das Ablegen von der Mittelmole zum Abenteuer, auf
der Regattabahn kommen dann noch Start- und Ziellinien hinzu, die nicht
überfahren werden dürfen. Bei frischem Wind und ordentlich Welle ist es gar
nicht so leicht alle Hindernisse im Auge zu behalten. Nachdem wir uns im ersten
Rennen zwei Runden lang an der Spitze festbeißen konnten, kentern wir auf dem
finalen Downwind bei einem hektischen Ausweichmanöver. Ärgerlich aber der
Ehrgeiz ist geweckt. Im zweiten Rennen führen wir sogar die erste Kreuz an, nur
um dann auf die Luvtonne zu kentern. Wir sind zwar extrem schnell aber die
Welle macht uns in den Manövern noch zu schaffen.
Dann schließlich unser großer Moment. Im vierten Rennen
gehen wir als erstes Boot auf die kurze Zielkreuz. Platz zwei geht links raus, Platz
drei rechts. Wir können uns nicht entscheiden, wen wir decken sollen, nehmen
die Mitte und verlieren mit einer halben Bootslänge Rückstand beide. Verdammt!
Der Sonntag wartet dann mit viel Wind und riesiger Welle
auf. Auf nur 4 Metern Boot fühlt man sich plötzlich ziemlich klein. An der
Kreuz heben wir regelmäßig bis zum Schwert ab und tauchen Vorwind bis zum Mast
in die Wellen ein. Wir kommen besser klar als erwartet, schaffen aber beide
Rennen nicht bis ins Ziel. In der Welle tun nicht nur wir uns sehr schwer das
Boot nach den Kenterungen wiederaufzurichten. Nur vier Boote beenden das letzte
Rennen. Als letzte auf dem Wasser erwischen wir leider noch eine heftige
Schauerböe. Völlig platt ist an Segeln nicht mehr zu denken. Wir bergen das
Großsegel am gekenterten Boot und lassen uns von einem der sehr aufmerksamen
Sicherungsboote reinschleppen, bevor wir zu nah ans Fahrwasser getrieben werden.
Insgesamt wieder Platz 6 und die Gewissheit, dass das Boot solche Bedingungen
problemlos wegsteckt.
Chiemsee / German Open
Es bleibt das Gefühl, dass da noch deutlich mehr drin ist.
Hinter uns liegen über 30 Tage Trainingslager und Regatta. Auf so hohem Niveau
sind wir noch nie gesegelt und alle Hoffnungen liegen jetzt auf der Deutschen
Meisterschaft. Am Chiemsee wird es keine Welle geben und endlich könnten wir
die Bedingungen vorfinden, die wir wochenlang trainiert haben. Aber reicht der
Wind überhaupt zum Segeln?
Noch ein letztes Trainingslager in Rerik, dann wird das Boot
noch einmal komplett durchgeprüft und mit dem Elterntaxi auf die fast 1000km lange Reise gen Süden
geschickt. Wir sind schon vier Tage vor Beginn der Meisterschaft da und der
Chiemsee zeigt sich ausnahmsweise sogar mit segelbaren Bedingungen. 10-15kn vor
den verschneiten Alpen sind ein tolles Erlebnis. Leider wird der Schnee in den
darauffolgenden Tagen weggeregnet und pünktlich zum ersten Regatta-Tag ist auch
der Wind wieder weg. Also keine Rennen für die 24 Teams am Donnerstag und es
ist schon absehbar, dass aus den 12 geplanten Wettfahrten nichts wird.
Der Freitag sieht zunächst nicht besser aus. Nach einer
Startverschiebung wird dann doch ein Rennen gestartet. Wie wir im Training
schon festgestellt haben, gibt es nur eine erfolgreiche Taktik: Am Pin starten
und dann ganz links unter der Fraueninsel zur Luvtonne. Die setzen wir auch erfolgreich
um und schnappen uns nach einem gewonnenen Halsenduell auf der Zielgeraden Platz
4. So dürfte das gerne weitergehen doch im zweiten Rennen schläft der Wind komplett
ein und es heißt wieder warten.
Beim nächsten Start kommen wir nicht gut weg und wenden uns
frei. Damit verpassen wir den Anschluss auf der linken Seite und müssen
zusehen, wie uns das halbe Feld davonzieht. Dann wird auch noch die Bahn auf
eine Runde verkürzt und es gibt keine Chance noch etwas gut zu machen. Platz 13
ist enttäuschend aber einen Streicher wird es hoffentlich geben.
Im nächsten Rennen also wieder um jeden Preis links raus an
die Fraueninsel. Wir fahren so extrem unter Land, dass ich mich kurz um die
Wassertiefe sorge aber der Plan geht auf. Als fünfte gehen wir auf die zweite
Kreuz, hinter uns kommt lange nichts mehr. Mit vielen Wenden hangeln wir uns
wieder an der linken Seite entlang als plötzlich der Wind um 45° nach rechts
kippt und einschläft. Statt abzubrechen macht die Wettfahrleitung das Ziel an
der Luvtonne auf. Platz 1 und 2, die eben noch zum Greifen nahe waren, schaffen
es gerade noch ins Ziel während der Rest der Spitzengruppe zusehen muss, wie das
komplette Feld mit Anlieger direkt vom Gate ins Ziel fährt. Als wir endlich ankommen, reicht der Wind nicht mal mehr für eine Wende und auf Platz 19 treiben
wir gegen die Zieltonne. Das fühlt sich nicht fair an. Der Frust ist groß und
die Hoffnung auf eine gute Platzierung ist gestorben.
Der Samstag bietet auch keine Chance auf Wiedergutmachung.
Erst Startverschiebung wegen zu wenig Wind, dann kommt der Fön über die Berge
geweht. Vom Steg aus gucken wir den Assos auf dem See beim Kentern zu und
staunen über verrückten Wetterbedinungen. Als am Nachmittag alle Begleitboote von
einer großen Surfer-Rettungsaktion zurück sind, beschließt die Flotte doch noch
einen Versuch zu wagen. Zum Glück sehen wir beim Ablegen die nächste 30kn Böe
anrollen und können das Boot noch rechtzeitig im stehtiefen Wasser umschmeißen.
Der Wind dreht schlagartig um 180°, das Schweizer Team wird auf einen Steg geweht,
die wenigen Teams draußen haben erst viel Spaß und dann viel Bruch. Nach ca.
15min trauen wir uns, das Boot wieder hinzustellen und schnell an Land zu ziehen.
Auf Segeln hat an diesem Tag niemand mehr Lust.
Nur drei Rennen in drei Tagen sind keine gute Bilanz und uns
geht die Zeit aus, um noch aufzuholen. Der Sonntagmorgen beginnt wieder mit
Windstille aber der Wettfahrtleiter lässt uns auslaufen. Nach ein wenig
Startverschiebung hat sich tatsächlich ein sehr leichter, aber konstanter Wind aufgebaut.
Wir setzen wieder alles auf die linke Seite, auch wenn das bedeutet nach einem
schlechten Start erstmal ohne freien Wind zu fahren. Mit einem Extremschlag
fahren wir wieder vor auf Platz 5 und können dort ungestört unseren Abstand aufs Feld ausbauen. Auf dem letzten Vorwind schließen wir dann
sogar auf die Spitzengruppe auf, welche sich gegenseitig am Gate das Leben
schwer macht. Wir kommen mit viel Schwung von hinten, fahren die besseren Halsen
und können uns in Zeitlupe noch auf Platz 3 im Ziel vorschieben. Damit ist der
19. Platz gestrichen und die Laune schlagartig wieder besser.
Also gleich noch mal. Im fünften Rennen mit besserem Start wieder
extrem links raus an die Fraueninsel, dieses Mal schon an der Luvtonne Platz 3
und den nimmt uns bis ins Ziel niemand mehr. Noch wenige Minuten bis zur
letzten Startmöglichkeit. Zum Glück trödelt niemand zu lange und die Wettfahrtleitung
schießt sofort das sechste Rennen an. Es geht sehr eng zu an der Spitze und
nach vielen Positionswechseln fahren wir noch einen 6. Platz. Kopfrechnen
sparen wir uns bei den durchwachsenen Ergebnissen und so ist die Überraschung
bei der Siegerehrung umso größer. Platz 4 insgesamt hätten wir uns nicht
träumen lassen und ist unser bestes Ergebnis im I14 bisher.
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