Donnerstag, 30. Juni 2016

J/70-EM 2016 in Kiel - ersegelte Lottozahlen führen nicht automatisch zum Hauptgewinn...

Ein paar Tage sind nun schon seit der Rückkehr von der J/70-Europameisterschaft vergangen. Das Boot steht wieder entsalzt und aufgebaut im Verein. Unsere Segelsachen sind nach heftigem Dauerregen und spritziger Welle getrocknet.
Wer dem KaR-Bundesligateam auf Facebook folgt, konnte schon unsere Berichte der ersten drei Tage lesen. Den Abschlussbericht nach dem letzten Tag, blieben wir euch bislang schuldig.
Zahlen zuerst! Mit den Plätzen 18, 18, BFD, 20, 1, 3, 23, 27, 41, 21, 35 landen wir auf dem 41. Platz von 91 gestarteten Booten.
Das ist im Blick auf die Konkurrenz nicht schlecht, so richtig zufrieden sind wir dennoch nicht.
In den ersten Rennen galt es, sich in die Regatta einzufinden. Gestartet wurde nacheinander in zwei Gruppen, da beim Practice Race am Mittwoch mit 80 Booten an der Linie zu viele Frühstarts produziert wurden.
Einzige Rettung an der dennoch langen Linie ist eine Logge, die – vorher richtig programmiert – den Abstand zur Linie anzeigen kann. 
In den ersten Rennen merken wir schnell, wie groß der Kreuzspeed der internationalen Elite ist. Wir stellen sofort fest, dass wir für Wind und Welle zu leicht sind und versuchen alles, um das Boot sauber zu trimmen und Druck abzubauen. Bei 1,25 nautischen Meilen Distanz zur ersten Tonne fahren die Top Teams dennoch einiges an Höhe und Vorsprung raus. Ohne perfekten Start ist es sehr schwer, die 15-20 Minuten dauernde Kreuz erfolgreich zu absolvieren.
Nach zwei 18. Plätzen fangen wir uns zum Abschluss des ersten Wettfahrttages noch eine Disqualifikation auf Grund eines Frühstarts ein.
Am nächsten Tag ist merklich weniger Wind und auch das Wasser ist flach. Es herrschen deutlich angenehmere Bedingungen für uns Binnensegler. Im ersten Rennen (20. Platz) verhindert ein mittelmäßiger Start eine bessere Platzierung. Der Seewind ist extrem konstant in Richtung und Stärke, so dass ein Aufholen schwierig ist.
Im zweiten Rennen passt der Start endlich perfekt. Auf der richtigen Startseite mit freiem Wind und Entscheidungsfreiheit runden wir die Luvtonne als Siebte. Wir erkennen sofort ein Muster für den Downwind und fahren auf die richtige Seite. Am Ende des Vorwindkurses runden wir das Gate als Erste. Die zweite Kreuz fahren wir sehr souverän und decken sowohl den Zweiten als auch die weiteren Verfolger. Nach einem schier unendlich langen zweiten Vorwindkurs fahren wir als erstes deutsches Team einen Tagessieg bei dieser Europameisterschaft ein. 

Hier noch mal im Tracking nachzuverfolgen ;)
Leider ließ nach diesem Rennen der Wind nach, so dass kein weiteres Rennen bei diesen Bedingungen gesegelt werden konnte.
Der dritte Tag brachte Regen, Regen, Regen und Gewitter. Erst als der Regen zwischenzeitlich nachließ, konnte sich ein stabiler Wind aufbauen. Nach zwei allgemeinen Rückrufen unter Black Flag flogen circa 30 Schiffe für das Rennen raus. Nach taktischen Ansagen von Florian schafften wir es jedes Mal, uns unterhalb eines großen Pulkes zu positionieren und so am Start nicht von der Wettfahrtleitung gesehen zu werden. Im schlussendlich gestarteten Rennen mit elf Schiffen ersegelten wir den 3. Platz.
Der Wind frischte anschließend erheblich auf. Durch mangelnde Konzentration, einem schlechten Start oder Erschöpfung passierten uns in den beiden weiteren Rennen dumme Fehler beim Setzen an der Luv Tonne. Der Gennaker fiel ins Wasser oder eine Schot wurde zu früh gefiert und verfing sich im Großbaum. Jedes Mal verloren wir zahlreiched Plätze, die wir auf der Kreuz bei dem starken Wind und der ruppigen Welle nicht wieder gut machen konnten.

Der 3. Platz und die Tatsache, dass sich viele Teams Punkte durch die Black-Flag-Disqualifikation eingefangen hatten, ließen uns aber dennoch auf dem 26. Gesamtrang verweilen. Bei starkem Wind und hoher Welle, begleitet von Blitz und Donner, glitschten wir unter Gennaker mit bis zu 18 Knoten Bootsgeschwindigkeit in den Hafen.
Am letzen Tag klappte dann rein gar nichts.
Nach guter erster Kreuz im ersten Rennen verschätzte ich mich bei der Annäherung an die Luvtonne. Mit Steuerbord-Schoten versuchte ich uns zwischen Gegner und Tonne hindurch zu drücken. Leider missglückte dies komplett. Bei Strömung und Welle blieben wir mit dem Kiel in der Leine hängen, mussten 25 Schiffe passieren lassen und zusätzlich noch eine Strafdrehung absolvieren. Gefrustet fuhren wir dem Feld hinterher und schafften es auch nicht auf dem Vorwind unseren sonst hohen Speed abzurufen.
Die beiden letzten Rennen spiegelten das Erste wieder: Mangelnde Kreuzgeschwindigkeit, Welle, starke Winde, Frust und taktische Fehlentscheidungen ließen uns in den folgenden zwei Rennen Platz für Platz verlieren. Teams, die wir vorher immer kontrollieren konnten, fuhren uns plötzlich davon. So verschlechterten wir uns leider vom guten und zufriedenstellenden 26. Platz auf den Gesamtrang 41.  

Platzierung im Verlauf der Regatta.
Trotzdem konnten wir durch die Teilnahme an der Europameisterschaft fürs Liga-Segeln profitieren: So manche Glitsch-Halse glückte ohne Speedverlust, das Bootsgefühl wuchs weiter, das Handling verfeinerte sich, die Starkwind-See-Erfahrung wäre in Berlin niemals so möglich gewesen, die Team-Abstimmung für das nächste Event in Travemünde näherte sich dem Zahnrad-Prinzip, der Bedarf an funktionierender Kommunikation auch bei Frust wurde deutlich, der Spaß am Segeln wurde genährt… Rundum: Es hat sich definitiv gelohnt!





Viele Stunden auf dem Wasser, viele Manöver, viele Lieder aus der vierstimmigen Jukebox, viele verzehrte Müsliriegel, viele taktische Erfahrungen, viele herabgesurfte Wellen, viele genossene After-Sailing-Biere, viele ausgewrungene Klamotten, viele blaue Flecken, viel Gelächter und Glücksgejauchze – das war die Euro 2016!


In Ermangelung eines guten Fotos.


Paul Ost

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